DIE MENSCHEN HINTER DEN «DOPPELTÜREN» - TEIL 2
In der heutigen Ausgabe unserer Serie «Die Menschen hinter den Doppeltüren» geben wir das Wort Roy Oppenheim. Er hat sich als Publizist und Medienmann weit über die Schweiz hinaus einen Namen gemacht. Der Initiant und Mitbegründer des Projekts gilt als «Mr. Doppeltür» und ist massgebend an dessen Gestaltung und Entwicklung beteiligt.
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DIE UNERTRÄGLICHE LEICHTIGKEIT DER IGNORANZ – «AHA!»
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Vor wenigen Tagen hat erstmals seit 1948 eine saudi-arabische Delegation Israel besucht. In einem mutigen Interview entlarvt der saudische Blogger Mohammed Saud allgegenwärtige Lügen über den jüdischen Staat. Saud wurde von arabischen Hardlinern für seinen aufsehenerregenden Besuch in Israel angegriffen. Dies hinderte Saud jedoch nicht daran, seine Meinung zu äussern und die Wahrheit zu sagen. Saud wies darauf hin, dass er mit dem Glauben aufgewachsen sei, dass israelische Juden und einheimische Araber überhaupt nicht miteinander auskämen. Das von den Mainstream-Medien dargestellte Bild verstärkte diesen Glauben nur noch. Während seines Aufenthalts in Israel diesen Sommer, sagte Saud, habe er eine ganz andere Realität entdeckt. «Mein Besuch in Israel war wie im Himmel. Ein echtes ‹Aha-Erlebnis›. Für diejenigen, die Israel hassen», schloss Saud, «möchte ich, dass Sie tief nachdenken. Ich lade Sie ein, Israel zu besuchen. Sie werden eine andere Erfahrung machen und feststellen, dass der Grossteil der Propaganda und der schlechten Medienberichte über Israel nicht wahr ist.»
Diese eindrückliche kleine Geschichte erinnert mich an viele Besuche im aargauischen Surbtal, wo wir vor 10 Jahren den «Jüdischen Kulturweg» eröffnet und inzwischen den Startschuss für das Projekt «Doppeltür» gegeben haben. Das Thema ist die einmalige Geschichte der während 250 Jahren zwangsangesiedelten Schweizer Juden inmitten von zwei christlichen Dörfern. Auf hunderten von Führungen sind wir Menschen ganz unterschiedlicher Provenienz begegnet, welche erstmals in ihrem Leben mit der dramatischen jüdischen Geschichte im Kontext der christlich geprägten europäischen Gesellschaft konfrontiert werden. Die grosse Mehrzahl der Besucher aus nah und fern hat in ihrer Schulzeit kaum je etwas Substanzielles über diese Geschichte gehört. Es sind Dinge, die sie nicht gewusst haben. Sie erfahren ein eigentliches «Aha-Erlebnis». Viele staunen, manche sind begeistert über neue Erfahrungen, andere sind tief berührt. Kalt lässt das Erlebte niemanden.
Ein Höhepunkt dieses Sommers war das Grusswort des Aargauer Landammanns Dr. Urs Hofmann anlässlich des 10-Jahre-Jubiläums des Jüdischen Kulturwegs in Lengnau: «Es ist wichtig, dass die oft leidvolle Geschichte unserer jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger nicht vergessen wird. Sie alle, die sich für den Kulturweg und im Projekt Doppeltüre engagieren, leisten dazu einen wichtigen Beitrag […]. Die unrühmliche Vergangenheit des Umgangs mit den Rechten der Jüdinnen und Juden in der Schweiz und im Aargau soll hinter uns bleiben, ein für alle Mal. Und dennoch nicht vergessen gehen. Sie soll uns Mahnmal sein über unser Land hinaus. Wem seine Religion wirklich wichtig ist, sei er oder sie mosaischen, christlichen oder muslimischen Glaubens, der weiss um den unschätzbaren Wert der Religions- und Kultusfreiheit, der weiss was es heisst, seinen Glauben in Freiheit und in Frieden ausüben zu dürfen: Wir sind alle zuerst Menschen.»
Diese Worte sind ermutigend. Denn die Schweiz, Europa braucht ein Projekt «Doppeltür». Nur mit einem modernen, attraktiven und überzeugenden Vermittlungsprojekt über die jüdisch-christliche abendländische Kulturgeschichte – über ihre Höhen, aber auch ihre Tiefen – erreichen wir die Menschen. Denn Judenhass beginnt mit dem Nicht-Wissen. Rassismus- und Antisemitismusbekämpfung muss daher zu den Wurzeln gehen: Zu den Wurzeln der europäischen Kultur und ihren dunkelsten, aber auch ihren hellsten Zeiten. Europäische Zivilisation und Kultur sind ohne den Beitrag der kleinen jüdischen Minderheit, die während 2000 Jahren allen Anfeindungen zum Trotz überlebt hat, undenkbar und unbegreifbar. Die Beschäftigung mit diesem langen verdrängten Teil unserer eigenen Geschichte ist spannend, aufregend, aber nicht leicht. Sie muss uns berühren, packen, auch wehtun, so dass es die Gesellschaften in Europa spüren und eine Ahnung von den Gefahren bekommen, die mit Judenhass einhergehen. Bislang ist die diese jüdisch-christliche Symbiose geprägt von Verdrängung und Ignoranz. Beide sind bedrohlich – zuerst für Jüdinnen und Juden und dann für die Demokratie und ihre Bürgerinnen und Bürger: «Wir sind alle zuerst Menschen.» Das faszinierende Projekt «Doppeltür» öffnet uns den Blick in die Zukunft.
Roy Oppenheim
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